Wie hängen Ernährung und Klimawandel zusammen?
Ein Beitrag der Arbeitsgruppe Verpflegung des Nachhaltigkeitsbeirates der Universität Wien
Dezember 2024
Der physikalische Ursprung des Klimawandels[1] ist der massive Ausstoß von Treibhausgasen durch von Menschen verantwortete Aktivitäten. Für Menschen sind vor allem die gesellschaftlichen Folgen des Klimawandels[2] interessant, die ihn zur Klimakrise machen. Falls keine ernsthaften Anstrengungen unternommen werden, dann gehören dazu in den nächsten Jahren und Jahrzehnten: zunehmende und heftigere Hitzewellen und Überschwemmungen, milliardenschwere Infrastrukturschäden und verlorene Existenzen, Ernteverluste und Lebensmittelknappheit, gesteigerter Migrationsdruck, erhöhte Konflikt- und Kriegsgefahren, zunehmende gesellschaftliche Instabilität. Wenn dagegen die international gesteckten Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs)[3] erreicht würden, können wir viel bewahren und gewinnen.
In Österreich und vielen anderen Ländern gibt es für die meisten Menschen im Wesentlichen drei oder vier Hauptquellen von Treibhausgasemissionen im Lebensalltag: Heizen mit fossilen Brennstoffen, Mobilität via Auto und Flugzeug, übertriebener Konsum, und Ernährung. Um katastrophale Entwicklungen zu vermeiden oder einzudämmen, sind in all diesen Bereichen wesentliche Veränderungen nötig. Das kann und sollte nach Möglichkeit auf individueller Ebene, auf gesellschaftlicher Ebene, und in deren Wechselwirkungen passieren. Hier ist ein doppelter Gewinn möglich, denn die „Lebensqualität steigt, wenn wir energieeffizient wohnen, essen und reisen“[4], wie eine große Metastudie[5] resümiert.
Ernährung spielt eine entscheidende Rolle im Klimawandel. Weltweit kommen etwa ein Drittel aller Treibhausgasemissionen aus dem Ernährungssystem[6]. Letzteres beinhaltet vor allem Landwirtschaft und weiterverarbeitende Produktion, wobei tierische Nahrungsmittel ein Haupttreiber sind. Weitere Faktoren sind Lebensmittelverschwendung und Änderungen der Landnutzung wie Regenwaldabholzung, Bodenerosion und Verlust von Biodiversität. Das globale Ernährungssystem und seine lokalen Ausprägungen sind komplex. Aber in Bezug auf die Frage, welche Bereiche den Löwenanteil an Treibhausgasemissionen verschulden, gibt es eine eindeutige Antwort.
Große Unterschiede von Ernährungsweisen bei Treibhausgasemissionen und Landnutzung
Tierhaltung ist um ein Vielfaches ineffizienter als Pflanzenanbau zur direkten Ernährung von Menschen. Zum Beispiel werden global etwa 83% der gesamten landwirtschaftlichen Fläche für tierische Produkte verwendet[7], die aber insgesamt nur etwa 18% aller Nahrungskalorien liefern. Umgekehrt beansprucht der Anbau von Pflanzen zum direkten menschlichen Verzehr nur 17% der gesamten landwirtschaftlichen Fläche, liefert aber 82% aller Nahrungskalorien. Auch die „optimierte“ industrielle Tierhaltung verbraucht viel mehr Ressourcen, als sie für Menschen liefert. Zum Beispiel werden nur etwa 10 bis 15% der Erträge des globalen Sojaanbaus direkt von Menschen verzehrt[8], der Großteil wird Futtermittel.
Entsprechend sind die persönlichen Treibhausgasemissionen bei einer durchschnittlichen omnivoren Ernährung um ein Vielfaches höher als bei einer ausschließlich oder größtenteils pflanzlichen Ernährung. In Österreich verursacht eine durchschnittliche omnivore Ernährung doppelt so viele Emissionen wie eine durchschnittliche vegetarische, und sogar etwa viermal so viel wie eine durchschnittliche vegane Ernährung[9]. Zu ähnlichen Ergebnissen[10] kommen weitere europäische Studien, auch in Bezug auf den zerstörerischen Einfluss omnivorer Ernährung bei Landnutzung, Eutrophierung und Biodiversitätsverlust[11]. Der individuelle Beitrag kann natürlich deutlich vom Durchschnitt abweichen; insbesondere ist er umso problematischer, je höher der Konsum von Fleisch und anderen tierischen Nahrungsmitteln ist.
Auch in Österreich hört man oft, dass regionale und saisonale Nahrungsmittel weniger zum Klimawandel beitragen. Innerhalb einer gegebenen Ernährungsform ist das auch korrekt, ähnlich wie ökologische Landwirtschaft angesichts der Klimakrise zu bevorzugen ist. Im Vergleich mit dem Emissionsunterschied zwischen omnivorer und pflanzlicher Ernährung sind diese Verbesserungen aber deutlich geringer[12]. Ein Wechsel hin zur pflanzlichen Ernährung ist um etwa eine Größenordnung wirkmächtiger[13] als ein Wechsel hin zur ausschließlich regionalen Ernährung durch Bioprodukte.
Neben der Ernährungsweise spielen Saisonalität, Regionalität und ökologische Landwirtschaft eine zentrale Rolle in einer im weiteren Sinne nachhaltigen Ernährung. Mit dem Konsum saisonaler und regionaler Lebensmittel werden Kosten und Ressourcen bei Produktion, Lagerung, Verpackung und Transport gespart. Der biologische Anbau vereint ökologische, soziale und gesundheitliche Vorteile. Zudem sind weniger verarbeitete Lebensmittel ressourcenschonender.
Potential pflanzenbasierter Ernährung und Rolle der Universität
Eine weltweite Transformation hin zu einem pflanzenbasierten Ernährungssystem würde jährliche Emissionseinsparungen von acht Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten[14] bewirken. Das ist mehr als das Doppelte aller Emissionen innerhalb der gesamten EU[15]. Aber es gäbe auch Einsparungen anderer Art: Bei größtenteils pflanzlicher Ernährung werden global finanzielle Einsparungen „versteckter Kosten“ von 7500 Milliarden US-Dollar[16] erwartet, insbesondere im Gesundheitssystem, etwa wegen dann zurückgehender Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die durch solche Einsparungen frei werdenden Mittel könnten etwa das Ernährungssystem krisenfester und leistbarer machen. Aber auch schon eine Umschichtung der jährlich über 50 Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen kann viel Positives bewirken. Aktuell gehen davon etwa 82% in Tierhaltung, während 84% aller Treibhausgasemissionen in der EU-Landwirtschaft aus der Tierhaltung kommen[17].
Fundamentale Veränderungen sind angesichts der Klimakrise unausweichlich. Noch hängt es wesentlich von menschlichen Entscheidungen ab, von welcher Art diese Veränderungen sein werden: inwieweit sie unkontrolliert zu den eingangs erwähnten schwerwiegenden gesellschaftlichen Auswirkungen führen, und inwieweit gesellschaftliche Systeme kontrolliert hin zum Besseren geführt werden. Noch, aber das Handlungsfenster schließt sich. Auch im wichtigen Bereich der Ernährung können Universitäten positive Rollen einnehmen[18]. Insbesondere kann auch die Uni Wien durch ihre exzellente Forschung, durch entschlossene Aufklärung und durch die Etablierung von genussvoller, nachhaltiger Verpflegung in Kantinen und beim Catering zu einer lebenswerten und nachhaltigen Entwicklung beitragen.
Quellen
[2] www.ipcc.ch/report/sixth-assessment-report-working-group-ii/
[5] www.nature.com/articles/s41558-021-01219-y
[6] www.nature.com/articles/s43016-021-00225-9
[7] www.science.org/doi/10.1126/science.aaq0216
[8] tabledebates.org/sites/default/files/2023-08/TABLE%20Summary%20series%20-%20Soy_0.pdf
[9] www.fibl.org/de/infothek/meldung/fibl-studie-startclim
[10] www.nature.com/articles/s43016-023-00795-w
[11] www.nature.com/articles/s43016-023-00795-w
[12] ourworldindata.org/food-choice-vs-eating-local
[13] www.fibl.org/de/infothek/meldung/fibl-studie-startclim
[14] www.ipcc.ch/site/assets/uploads/sites/4/2019/11/Figure-5.12.jpg
[15] www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-der-europaeischen-union
[17] www.nature.com/articles/s43016-024-00949-4.
[18] www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(23)00082-7/fulltext