
Nachbericht Podiumsdiskussion: Unser Ernährungsverhalten is(s)t die Zukunft (16.Oktober 2025)
Veranstaltung zum Welternährungstag am 16. Oktober 2025
Anlässlich des Welternährungstags lud die Universität Wien am 16. Oktober 2025 zur öffentlichen Podiumsdiskussion „Unser Ernährungsverhalten is(s)t die Zukunft“ in den Hörsaal 2 des Biologiegebäudes (UBB). Organisiert wurde die Veranstaltung vom Nachhaltigkeitsbüro der Universität Wien in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Verpflegung des Nachhaltigkeitsbeirats. Rund 180 interessierte Besucher*innen –Studierende, Mitarbeitende der Universität und externe Gäste – nahmen teil, diskutierten mit und nutzten die Gelegenheit zum Austausch beim anschließenden Buffet mit pflanzlichen Köstlichkeiten.
Ernährung als Hebel für Klimaschutz
Der Zusammenhang zwischen Ernährungssystemen und der Klimakrise stand im Fokus des Abends. Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion verursachen global rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen. Besonders tierische Produkte belasten Umwelt und Klima überproportional. Eine klimafreundliche Ernährung – möglichst pflanzenbasiert, regional und ressourcenschonend – wird daher als zentrale Stellschraube für eine nachhaltige Transformation angesehen.
Die Rolle der Universität
Vizerektor Nikolaus Hautsch (Vizerektorat für Infrastruktur) und Karl-Heinz Wagner (Dekan der Fakultät für Lebenswissenschaften und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung, ÖGE) eröffneten die Veranstaltung. Beide betonten, dass Universitäten eine aktive Rolle einnehmen müssten – als Forschungsinstitutionen, Vorbilder im Betrieb und Orte des gesellschaftlichen Dialogs. VR Hautsch verwies auf die beiden vegetarisch-veganen Mensen der Universität an den Standorten UBB und OMP und betonte: „Wir sind noch nicht am Ende des Weges – aber wir schreiten voran.“
Durch den Abend führte Nils Carqueville, Professor für mathematische Physik und Koordinator der AG Verpflegung des Nachhaltigkeitsbeirats. In zwei Diskussionsrunden – „Herausforderungen“ und „Lösungen“ – kamen vier Podiumsgäste zu Wort:
- Prof. Petra Rust (Ernährungswissenschaften, Uni Wien)
- Prof. Sigrid Stagl (Ecological Economics, WU Wien)
- Prof. Tilman Kühn (Public Health Nutrition, Uni Wien und FH Fulda)
- Sophie Wenzel (Internationale Koordinatorin, Plant-Based Universities)
Podiumsdiskussion: Plädoyer für nachhaltige Ernährung
Gemeinsam wurde diskutiert, warum Wissen über gesunde, nachhaltige Ernährung oft nicht im Alltag ankommt: zu teuer, zu wenig Zeit, zu wenig Verfügbarkeit. Petra Rust plädierte für besser zugängliche Angebote in der Gemeinschaftsverpflegung und betonte: „Wenn wir wollen, dass Menschen sich gesund und nachhaltig ernähren, muss es verfügbar, schmackhaft und leistbar sein.“
Mehrmals wurde am Podium auch dieBedeutung von ‘Choice Architectures’ betont – also der bewussten Gestaltung von Angeboten, um pflanzenbasierte und gesunde Speisen als neue Normalität zu etablieren.
Studentische Gesundheit im Fokus
Im Rahmen der Diskussion stellte Petra Rust das Projekt #gesund-studieren – Studentische Gesundheit im Fokus vor, das seit knapp einem Jahr an der Universität Wien läuft. Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz von Studierenden zu stärken – auch durch Maßnahmen in der Gemeinschaftsverpflegung. Die beiden vegetarisch-vegan geführten Mensen am OMP und UBB werden daher bei der Speisenoptimierung und Qualitätssicherung gezielt unterstützt. Gerade in prüfungsintensiven Phasen soll außerdem das Angebot an „To-Go“-Produkten gesünder und studierendenfreundlicher gestaltet sein. Erste Snackautomaten – etwa am UZA II - wurden bereits um gesunde Optionen ergänzt.
Ein neues Erweiterungscurriculum „Gesundheitskompetenz und Empowerment für Studierende“ fördert darüber hinaus gesundheitsbezogenes Wissen, langfristig ist auch ein kostenloser Online-Kurs zur Stärkung studentischer Gesundheitskompetenz geplant. Weitere Infos zum Projekt unter:
→ studieren.univie.ac.at/studentische-gesundheit-im-fokus
Sophie Wenzel stellte die internationale Studierendeninitiative Plant Based Universities vor, die sich an Hochschulen in ganz Europa für eine pflanzenbasierte Verpflegung in Mensen und Veranstaltungen einsetzt. Ziel ist es, Universitäten als Orte des gesellschaftlichen Wandels zu positionieren und Verantwortung für ein klimagerechtes, faires Ernährungssystem zu übernehmen. „Mensen an Universitäten haben enorme Strahlkraft in die Gesellschaft“, erklärt Wenzel ihr Engagement.
Die Initiative versteht sich als konstruktiver Akteur, der den Dialog mit Studierenden, Verwaltung und Mensabetreibern fördert – und setzt auf partizipative Prozesse, Umfragen und sichtbare Erfolge vor Ort.
Tilman Kühn forderte mehr Mut seitens der Wissenschaft, auch strukturelle Maßnahmen wie eine umweltbezogene Lebensmittelbesteuerung offen zu diskutieren: „Wenn gesündere, klimafreundliche Produkte günstiger sind, verändert sich der Warenkorb. Unsere Rolle als Wissenschafter*innen sollte auch sein, sinnvolle Maßnahmen lauter und mutiger einzufordern.“
Sigrid Stagl betonte in ihrem Beitrag u.a. die gesellschaftlichen Folgekosten unseres aktuellen Ernährungssystems. Umwelt- und Gesundheitskosten, die durch falsche Anreize im Markt entstehen, würden nicht von jenen getragen, die sie verursachen – sondern von nachkommenden Generationen. „Andere zahlen die Rechnung für unser heutiges Konsumverhalten“, so Stagl.
Im Sinne des Projekts „Enkeltaugliches Österreich“ plädierte sie daher für eine ehrliche Preispolitik, die ökologische und soziale Folgekosten einbezieht. Biologische und regionale Lebensmittel seien – so Stagl – „in Wahrheit die günstigere Option für unsere Gesellschaft“. Damit nachhaltige Alternativen eine Chance bekommen, brauche es aber auch faire Marktbedingungen, etwa durch gezielte Ausschreibungen im öffentlichen Einkauf. Regeln und Standards müssten konsequent auf ihre Zeitgemäßheit geprüft und, wo nötig, angepasst werden.
Was sich das Publikum beim Essen wünscht
Während der Veranstaltung wurde das Publikum gefragt: „Was wünschen Sie sich in Bezug auf Ihr Essen?“ – über 100 Wortmeldungen spiegelten ein breites Spektrum an Erwartungen und Werten wider. Besonders häufig genannt wurden „gesund“, „lecker“, „preiswert“, „pflanzenbasiert“, „regional“ und „nachhaltig“. Auch konkrete Wünsche wie mehr vegane Optionen, weniger verarbeitete Produkte, Sättigung, nährstoffreiche Lebensmittel und faire Produktionsbedingungen wurden geäußert. Die Antworten verdeutlichen: Geschmack, Gesundheit, Umwelt- und Tierschutz sowie soziale Gerechtigkeit sind zentrale Kriterien für viele Menschen – und zeigen, wie stark Ernährung mit ethischen, ökologischen und gesellschaftlichen Fragen verknüpft ist.
Erwartungen an die Universität: Verpflegung nachhaltig gestalten
Auch in der abschließenden Live-Umfrage „Was wünschen Sie sich von der Uni Wien in Bezug auf Verpflegung?“ wurde deutlich: Die Erwartungen an die Universität sind hoch – sowohl inhaltlich als auch strukturell. Viele Teilnehmende wünschten sich eine konsequent, hauptsächlich pflanzenbasierte Ausrichtung, etwa durch mehr vegane und vegetarische Mensen, ein breiteres Angebot an pflanzlichen Gerichten und vegane Optionen bei Automaten und Veranstaltungen. Auch Regionalität, Saisonalität, biologische Qualität und Transparenz bei Herkunft und Produktion wurden vielfach gefordert.
Ein zentrales Anliegen war zudem die Leistbarkeit: Begriffe wie „preiswert“, „günstig“, „unter 5 Euro“ oder „für Studierende bezahlbar“ wurden besonders häufig genannt. Darüber hinaus äußerten viele den Wunsch nach gesundem, ausgewogenem und nährstoffreichem Essen, nach Vielfalt und gutem Geschmack . Einzelne forderten auch Fleischreduktionstage, mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten und eine klare Positionierung der Universität als Vorreiterin für klimafreundliche Verpflegung.
Fazit
Die Veranstaltung zeigt: Ernährung ist weit mehr als persönliche Entscheidung – sie ist politisch, sozial und ökologisch relevant. Die Forderung nach mehr pflanzenbasierter Verpflegung wurde von allen Podiumsteilnehmenden wissenschaftlich, sozial und ökologisch stark begründet – etwa als effektiver Beitrag zu Klimaschutz, Gesundheit und fairen Produktionsbedingungen. Die Arbeitsgruppe Verpflegung des Nachhaltigkeitsbeirats ist sich einig: “Die Universität ist gefordert, nachhaltige Verpflegung zur Normalität zu machen.” Die Mitglieder der Arbeitsgruppe werden sich weiterhin dafür einsetzen, das Thema innerhalb der Universität voranzutreiben, damit die Institution ihrer Vorbildwirkung gerecht wird.
Die Veranstaltung wurde mit dem Prädikat ÖkoEventPLUS ausgezeichnet.
